Das schwarze Sakrament (German Edition) by Dennis Vlaminck

Autor:Dennis Vlaminck [Vlaminck, Dennis]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863587529
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2015-03-18T04:00:00+00:00

Glasmond

Die Dekanin hatte sie zunächst zum Baden geschickt. »Der Dreck vom Land muss runter und der Gestank«, hatte sie gesagt, während eine Magd Evgen den Rücken schrubbte. »Läuse will ich hier auch keine.«

Nach einem Abendessen mit Brot, Käse und Brei, das die Dekanin als klein bezeichnete, das für Evgen jedoch ein Festmahl war, musste sie gleich zu Bett gehen. Ein Bett! Sie durfte in einem richtigen Bett schlafen! Noch nie hatte Evgen ein Bett gesehen. Und der Sack, der auf dem Holzgestell lag, war nicht mit hartem, kratzigem Stroh gefüllt, sondern mit weichem Heu, das nach Kamille duftete. Auf dem weißen Laken waren keine Flöhe und keine Läuse zu sehen. Und auch die Decke, die sie sich über den Kopf gezogen hatte, war ganz weich gefilzt und sauber.

Evgen schob die Decke ein wenig zurück und sah sich verstohlen um. Vier Öllichter, in jeder Ecke des großen Schlafsaales eines, brannten mit kleiner Flamme. Der Saal, der so groß war wie die Kirche in Mundt, war voll mit Betten, und in jedem Bett lag ein Mädchen. Keine Mädchen wie sie, nein, dessen war sich Evgen bewusst. Es waren allesamt höhere Töchter, die einmal feine Damen werden würden. Aber jetzt und hier waren sie alle gleich. Das war wundervoll.

Die anderen Mädchen hatten sie mit großen Augen angesehen, als die Dekanin sie in den Schlafsaal führte. Aber die Dekanin hatte nichts über sie verraten, nur, wie sie hieß. Und Evgen hatte gesehen, wie die anderen Mädchen dann ihren Namen mit den Lippen formten und leise nachsprachen. Nun war sie eine von ihnen, irgendwie. Hier im Schlafsaal jedenfalls gab es keine Unterschiede. Sie trugen alle die gleichen Hemdchen, sie lagen alle in den gleichen Betten, hatten alle das gleiche Dach über dem Kopf.

Schliefen denn schon alle? Evgen lauschte. Die Mädchen atmeten tief und schwer. Sie wagte es. Sie schob die Decke weg und glitt aus dem Bett. Die Fliesen waren kalt unter den nackten Füßen, belebend kalt. Jetzt nur niemanden wecken. Auf Zehenspitzen war es leiser. Bis zur Tür waren es nur wenige Schritte. Hoffentlich war sie nicht abgeschlossen. Die Klinke knarzte, als sie sie herunterdrückte. Innehalten. Warten. Luft anhalten. Gott sei Dank, die Mädchen schliefen weiter.

Die Tür war offen. Evgen schob sie langsam und geräuschlos auf, schlüpfte hinaus auf den Gang und drückte sie sacht wieder zu. Alles still. Aber auch alles dunkel. Sie versuchte, sich zu erinnern. Das vierkantige Stiftsgebäude war gleich an die Kirche gebaut, der Turm verband die beiden Gebäude. Sie musste hinunter, ins Erdgeschoss, und von dort in den Kirchturm. Sie tastete sich durch die Dunkelheit an der Wand entlang, bis sie zur Treppe kam. Ihre Zehen fühlten über die Kante. Schritt für Schritt, Stufe für Stufe schlich sie die Treppe hinunter. Und nun? Nach rechts und nach links mussten Gänge abgehen, und geradeaus musste das Portal sein, das in die Kirche führte. Ganz vorsichtig, nichts anstoßen jetzt, Fuß vor Fuß schieben. Dann war sie da. Die Hände fühlten Holz, fühlten eine Klinke. Obwohl die zweiflügelige Tür so groß war, ließ sie sich ganz leicht aufschieben und wieder schließen.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.